veröffentlicht:
21.3.2024
Last updated:

Den Hitzewellen Einhalt gebieten mit Wärmepumpen

Eine Sache, die die Europäer:innen oft von anderen unterscheidet, ist ihre Abneigung gegen Klimaanlagen (AC). Obwohl die Sommer – vor allem im Süden Europas – ziemlich heiß sein können, neigen Europäer:innen dazu, sich auf konventionelle Weise kühl zu halten.

Tatsächlich sind weniger als zehn Prozent der europäischen Haushalte mit einer Klimaanlage ausgestattet. Stattdessen setzen Europäer:innen zumeist darauf, tagsüber die Jalousien geschlossen zu halten, die Fenster nachts zu öffnen und sich auf Ventilatoren und kühle Getränke zu verlassen, um die Sommerhitze zu überstehen. Klimaanlagen hingegen gelten oft als laut, teuer oder umweltschädlich und führen zu Erkältungen. Daher gab es in Europa bislang nie einen großen Run auf Klimaanlagen.

Doch das wird sich bald ändern.

Wie diese Grafik zeigt, steigt die Nachfrage nach Klimaanlagen in Europa in den letzten Jahren erheblich.

Warum? Ganz simpel gesprochen: Die Sommer werden immer heißer. Es reicht nicht mehr aus, schlicht die Jalousien geschlossen zu halten.

Warum wir unsere Gebäude kühlen müssen

Die globale Erwärmung stellt uns vor eine große Herausforderung: Sie führt zu Hitzewellen, die extreme Temperaturen zur neuen Norm machen. Der Sommer 2022 war der heißeste in der Geschichte Europas und hat den Rekordsommer 2021 noch übertroffen.

Ein wesentlicher Grund für den extremen Temperaturanstieg in Europa ist eine Hitzewelle im Nordatlantik. Dieses Phänomen beschreibt die Erwärmung der Meeresoberflächen, die dann aufgrund der hohen Temperaturen zu einem atmosphärischen Zirkulationsmuster führt, das die Luftmasse über der Meeresoberfläche erwärmt. In diesem Jahr erreichte das Oberflächenwasser eine Rekordtemperatur von 23,1 Grad Celsius (ºC) – 1,1ºC wärmer als die durchschnittliche Oberflächentemperatur der letzten 40 Jahre.

Die Erwärmung des Oberflächenwassers des Atlantiks wird von mehreren Faktoren beeinflusst. Einer von ihnen ist der Klimawandel. Wenn es also nicht gelingt, die globale Erwärmung einzudämmen, riskieren wir weitere Hitzewellen in (Süd-)Europa, die auf die Erwärmung des Atlantikwassers zurückzuführen sind.

Auswirkungen extremer Hitze

Gesundheitliche Auswirkungen

Wenn wir es versäumen, unsere Wohnungen und Innenräume zu kühlen, um mit steigenden Temperaturen oder extremer Hitze klar zu kommen, kann dies ernsthafte gesundheitliche Folgen haben. Hitzestress wird zum Beispiel durch extreme Hitze verursacht und kann das Risiko von Verletzungen, Herzschlag, Hitzeerschöpfung oder Hitzekrämpfen erhöhen. Das Barcelona Institute for Global Health stellte fest, dass es in Europa zwischen Mai und September 2022 fast 62.000 hitzebedingte Todesfälle gab. Die meisten davon gab es in Italien, gefolgt von Spanien und Deutschland. Dies zeigt, dass wir dringend verhindern müssen, dass Hitzewellen zur Normalität werden, und dass wir gleichzeitig umweltfreundlichere Wege zum Klimatisieren von Gebäuden finden müssen.

Auswirkungen auf die Produktivität

Das Projekt „HEAT-SHIELD“ der Universität Loughborough, England, das sich mit den negativen Auswirkungen von Arbeit unter erhöhter Hitze befasst, hat ergeben, dass die Produktivität von Personen um 76 Prozent sinken kann, wenn die Temperatur der Arbeitsumgebung bei 40 Grad Celsius (°C) liegt. Erreicht die Temperatur 35 °C, sinkt die Produktivität bereits um 35 Prozent. Beides sind Temperaturen, die in Südeuropa schon heute häufig erreicht werden.

Welche Möglichkeiten gibt es?👀

Jetzt, da wir über die schwerwiegenden Folgen der Überhitzung Bescheid wissen, sollten wir unsere Einstellung zum Lüften vielleicht nochmal überdenken. Es gibt einige andere Möglichkeiten, um Innenräume zu kühlen. Werfen wir einen Blick darauf:

‍Klimatisierung

Eine der beliebtesten Methoden, einen Innenraum kühl zu halten, ist die Klimaanlage. Während sie in Europa als Luxus angesehen wird, sind in fast 90 Prozent der US-amerikanischen Haushalte Klimaanlagen installiert. Die Spitzenreiter in Europa sind Russland, Italien und Spanien, mit je einer Nachfrage von über einer Millionen Geräten.

Ein Klimagerät besteht aus drei Teilen: Kompressor, Verflüssiger und Verdampfer. So läuft die Klimatisierung ab: Ein flüssiges Kältemittel wird im Verdampfer in Gas umgewandelt. Unter Druck wird das gekühlte Gas dann zu einer Flüssigkeit kondensiert, die die Wärme des Innenraums aufnimmt. Die erwärmte Luft wird dann von den Kondensatorspulen weggeblasen. Für den gesamten Prozess benötigen Klimaanlagen viel Energie, ebenso wie für ihre Herstellung und ihren Transport. Darüber hinaus nutzen Klimaanlagen schädliche Kältemittel und setzen Ausdünstungen frei, die erheblich zur globalen Erwärmung beitragen. Insgesamt werden durch Klimaanlagen jährlich 1,95 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt. Dies entspricht 3,94 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen, die alleine durch Klimaanlagen emittiert werden.

‍Verdunstungskühlsysteme

Die Energiekrise ließ die Nachfrage nach Verdunstungskühlsystemen in die Höhe schnellen. In Europa dürfte der Umsatz mit diesen Kühlsystemen bis 2028 auf fast 2,3 Milliarden USD ansteigen . Ein Verdunstungskühler, auch Sumpfkühler genannt, sorgt für einen ständigen Strom frischer Luft im Haus. Während des Betriebs werden die Fenster teilweise geöffnet, um die warme Luft abzusaugen und durch kühle Luft zu ersetzen. Diese Kühlsysteme haben niedrigere Anschaffungskosten als zentrale Klimaanlagen und verbrauchen nur ein Viertel der Energie. Ein Verdunstungskühlsystem hat eine höhere Energieeffizienz, da es nur etwa zehn Prozent des Stroms verbraucht, den eine Klimaanlage benötigen würde. Sie müssen jedoch häufig gewartet werden, da sich in Gebieten mit hartem Wasser Salz- und Mineralablagerungen bilden können. Außerdem sind sie nur für Gebiete mit niedriger Luftfeuchtigkeit geeignet.

‍Wärmepumpen zum Heizen und Kühlen

Ja, richtig gelesen! Wärmepumpen können nicht nur zum Heizen von Gebäuden im Winter verwendet werden, sondern auch zum Kühlen im Sommer. Eine Wärmepumpe ist ein energieeffizientes Gerät, das thermische Energie überträgt, indem es Wärme von einem wärmeren Raum in einen kühleren Raum transportiert – und umgekehrt. Diese Systeme bestehen aus drei Komponenten: einem Verdampfer (Außeneinheit), einem Verflüssiger (Inneneinheit) und dem Kältemittel. Bei der Kühlung kann der Prozess in aktiv und passiv unterschieden werden. Bei der aktiven Kühlung werden der Kompressor und ein reversibler Kältekreislauf verwendet, was mit jeder Art von Wärmepumpe möglich ist. Passive Kühlung ist sowohl mit Sole/Wasser-Wärmepumpen als auch mit Wasser/Wasser-Wärmepumpen möglich. Bei diesem Prinzip wird der Temperaturunterschied zwischen dem Erdreich und dem Innenraum eines Hauses ausgenutzt. Zirkulierendes Heizungswasser nimmt die Innenraumwärme auf und gibt sie an das Erdreich ab – der Kältekreislauf wird in diesem Fall nicht aktiviert. Da zu keiner Zeit ein Kaltluftstrom vorhanden ist, benötigt diese Art der Raumluftkühlung wenig zusätzliche Energie. Die Leistung der passiven Kühlung liegt jedoch weit unter der der aktiven Kühlung, die zwar der Funktionsweise einer Klimaanlage entspricht, aber dennoch unter Umweltgesichtspunkten weitaus verträglicher ist als das Kühlen mit einer Klimaanlage.

Die folgende Grafik zeigt, dass das Kühlen im Jahr 2022 weltweit der größte Treiber der Stromnachfrage war. Während der Aspekt mehr „Kühlung“ mit einer Nachfrage von bis zu plus 14 Terrawattstunden (TW/h) beiträgt, tragen Wärmepumpen zusammen mit EVs nur mit plus acht TW/h bei.

Klimaanlagen vs. Wärmepumpen

Die gängigsten Optionen für das Kühlen sind heutzutage Klimaanlagen und Wärmepumpen. Klimaanlagen sind zwar die bekannteste und am weitesten verbreitete Option, allerdings sind sie nicht gerade umweltfreundlich.

Wie bereits erwähnt, verbraucht eine Klimaanlage jede Menge Strom, um zu funktionieren. Die jüngsten Hitzewellen, die über Europa plagten, vor allem den Süden, wo die Temperaturen teils bis zu 47 °C erreichten, ließen die Nachfrage nach Klimaanlagen steigen – und damit auch die Stromnachfrage. In Mailand stieg die Nachfrage nach Strom in der zweiten Juliwoche in Zusammenhang mit der Hitzewelle um 30 Prozent. Dies führte zu einer Spitzenstromlast von mehr als 59 Gigawatt (GW) – im Juli 2022 wurden im Vergleich dazu in der Spitze knapp 52 GW erreicht. Der verstärkte Stromverbrauch führte zu einer Reihe von Stromausfällen in ganz Italien, da gleichzeitig massenhaft Klimaanlagen eingeschaltet wurden, um die hohen Außentemperaturen am Nachmittag und frühen Abend zu ertragen. Diese Betrachtung verdeutlicht mehr als anschaulich, dass Stromnetze in den Sommermonaten oft schnell an die Grenzen zur Überlastung stoßen (können).

Auf der anderen Seite wird die Fähigkeit von Wärmepumpen, zu kühlen, oft unterschätzt. Obwohl die initialen Anschaffungskosten vergleichsweise hoch sind, bieten Wärmepumpen eine kosteneffizientere Möglichkeit, ein Haus zu heizen und zu kühlen. Für eine ganzjährige Temperaturregelung sind mindestens eine Klimaanlage und eine herkömmliche Heizungsanlage erforderlich, die mit Gas, Holz oder Öl betrieben wird und aus diesem Grund eine größere Menge an Emissionen verursacht. Eine Wärmepumpe hingegen kann je nach Typ das ganze Jahr über betrieben werden und ist nicht auf Gas angewiesen. Darüber hinaus hat eine typische Haushaltswärmepumpe eine Leistungszahl (COP) von etwa vier, sprich, die abgegebene Energie übertrifft die für den Betrieb verwendete elektrische Energie um das Vierfache. Zum Vergleich: Ein herkömmliches Klimagerät hat einen COP von 2,3 bis 3,5.

Darüber hinaus sind inzwischen Propan-Wärmepumpen auf dem Markt, die mit natürlichem und umweltfreundlichem Propangas als Kältemittel arbeiten. Damit ist es möglich, eine Wärmepumpe komplett mit Ökostrom zu betreiben und so die klimaschädlichen Emissionen des Heizens zu Hause stark zu reduzieren. Wird eine Wärmepumpe obendrein mit einer Photovoltaikanlage und einem Batteriespeicher gekoppelt, verbessert dies die Ökobilanz zusätzlich. Außerdem können so Betriebskosten gesenkt und das Stromnetz an besonders heißen (oder kalten) Tagen entlastet werden.

Herausforderungen

Die Umstellung von Klimaanlagen auf Wärmepumpen ist mit einigen Herausforderungen verbunden. Vorgeschrieben sind Mindesteffizienzstandards für neue Kühlgeräte, aber die Einhaltung dieser Standards kann schwierig sein. Es gibt zwar bereits viele Subventionen und Anreize, allerdings sind die Vorlaufkosten für die Installation von Wärmepumpen noch immer ein Hindernis, da trotz allem das gesamte Heizungssystem erneuert werden muss. Außerdem bleibt das derzeitige Installationstempo hinter der Nachfrage zurück, da es an Fachkräften und technischem Know-how mangelt. Das fehlende Bewusstsein der Verbraucher:innen ist ein weiteres wesentliches Hindernis für den flächendeckenden Einsatz von Wärmepumpen, sowohl zum Kühlen als auch zum Heizen. Um ihr Potenzial zu optimieren, ist ein umfassenderer Ansatz erforderlich, bei dem Klimatisierungsstrategien in ganzheitliche Lösungen integriert werden, die den Energieverbrauch ausgleichen und die Belastung der Netze während der Verbrauchsspitzen verhindern. Die Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert eine gemeinsame Anstrengung von politischen Entscheidungsträger:innen, der Industrie sowie der Öffentlichkeit, um die weitere Verbreitung von Wärmepumpen voranzutreiben und den Weg für eine nachhaltige Kühlung zu ebnen.

Was bringt die Zukunft?

Die Zukunftsaussichten für den Einsatz von Wärmepumpen zum Kühlen sind vielversprechend, doch es gibt noch weitere Herausforderungen. Ein verbesserter gesetzlicher Rahmen, der die Mindesteffizienz von Kühlgeräten festlegt, und höhere Subventionen für die Nutzung von Wärmepumpen in Gebäuden und Haushalten ebnen den Weg für deren flächendeckende Verbreitung. In Kombination mit Photovoltaik und einem ganzheitlichen Energiemanagementsystem kann ihr volles Potenzial als Kühlgerät ausgeschöpft werden. So kann eine lokale, nachhaltige Energieversorgung maximiert, der Energieverbrauch und die Kosten minimiert sowie der thermische Komfort stets optimal gewährleistet werden.

Außerdem können Gebäude damit auch in Zeiten hoher Temperaturen gut gekühlt werden, ohne dass Menschen befürchten müssen, Auslöser für kommende Hitzewellen zu sein.

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