Ein Ausgleichsmarkt beschreibt keinen echten Markt, sondern einen Teil der Regelenergiemärkte. Diese sorgen dafür, dass das Energienetz ausgeglichen ist und die Nutzung erneuerbarer Energiequellen optimiert wird. Ausgleichsmärkte sind Teil eines Echtzeit-Energieversorgungsmarktes, der sowohl Stromerzeugungs- als auch Übertragungsdienstleistungen anbietet. Zu den Marktakteuren zählen mehrere Bilanzkreisgebiete sowie die dazugehörigen Versorgungsgebiete.
Gehen wir einen Schritt zurück: Was ist ein Energiemarkt?
Um zu verstehen, was ein Ausgleichsmarkt ist, müssen wir erst verstehen, was ein Energiemarkt ist. Energiemärkte sind Warenmärkte, auf denen Strom gekauft und verkauft wird. Früher umfasste dies den Handel mit physischen Energierohstoffen wie Kohle oder Holz, aber in unserer heutigen elektrifizierten Welt ist der Handel viel komplexer.
Die Energiemärkte sind ein wichtiger Baustein für das Gleichgewicht von Energieverbrauch und -erzeugung. Im Gegensatz zu anderen Rohstoffen kann Strom nicht in großen Mengen gelagert werden und erfordert daher von den Netzbetreibern einen ständigen Ausgleich zwischen der Stromerzeugung und der Nachfrage ihrer Kund:innen. Um das zu vereinfachen, können die Energiemärkte in verschiedene Kategorien unterteilt werden. Auf Grundlage der Preisgestaltung unterscheiden wir zwischen den folgenden Märkten:
Terminmarkt für Strom
Auf Terminmärkten (auch Forward-electricity-market genannt) wird Strom für einen Zeitraum von Monaten oder Jahren gehandelt. Die Preise werden dafür mit den Spotmarktpreisen künftiger Lieferperioden verrechnet. Dadurch sollen Käufer:innen vor schwankenden Preisen geschützt und die Preise generell stabiler gehalten werden.
Day-ahead-Markt
Auf einem Day-Ahead-Markt (auch Auktionsmarkt genannt) wird der Strom für den darauf folgenden Tag gehandelt. Die Preise werden durch das letzte akzeptierte Gebot auf dem Markt bestimmt. Der Handel auf diesem Markt findet täglich und anonymisiert statt.
Intraday
Auf einem Innertags-Markt (auf Englisch Intraday-Market) finden der Handel und die Lieferung von Leistung am selben Tag statt. Auf diesen Märkten gibt es keine festen Preise. Stattdessen wird der Preis für jede Transaktion im Laufe des Tages ermittelt.
Regelenergie- und Ausgleichsmärkte
Der Regelenergie- und der Ausgleichsmarkt zielen im Gegensatz zu den anderen oben genannten handelsbasierten Märkten darauf ab, Leistung auszugleichen und mögliche Fehler und Abweichungen durch die Nutzung von Regelenergie vorherzusagen.Ihr Fokus liegt daher nicht auf der Preisbildung, sondern auf der Vermeidung von Netzüberlastungen, wodurch die Kosten steigen können.
Regelenergiemarkt
In Europa versuchen die Regelenergiemärkte, die Stromnetze innerhalb einer Frequenz von 50 Hertz (Hz) zu halten. Selbst minimale Abweichungen von 0,2 Hz können zu potenziellen Ausfällen führen. Um die Frequenz innerhalb des genormten Bereichs zu halten, wird Regelenergie genutzt.Auch die Regelenergiemärkte können wir nochmal in Abhängigkeit ihrer Aktivierung von Regelenergie unterscheiden:
- Die Primärreserve (auch Frequency-Containment-Reserve genannt ) reagiert auf Abweichungen innerhalb von zehn Sekunden.
- Die Sekundärreserve (oder Automatische Frequenzwiederherstellungsreserve, aFFR) wird innerhalb von 30 Sekunden aktiviert.
- Die Tertiärregelleistung (auch Manuelle Frequenz-Wiederherstellungsreserve, mFRR) stellt die Primär- und Sekundärreserve wieder her, sollten Engpässe im Übertragungsnetz auftreten.
Im Falle eines auftretenden Ungleichgewichts unterscheiden wir nochmals zwischen zwei Szenarien:
Aktives Ungleichgewicht beschreibt das Szenario, in dem die Marktteilnehmer ihre Positionen absichtlich anpassen, um die Ungleichgewichte zu steuern. Dies kann entweder durch Markttransaktionen oder durch den Einsatz eigener flexibler Ressourcen geschehen.
Passives Ungleichgewicht bezieht sich auf Situationen, in denen Marktteilnehmer (in diesem Fall die Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) Abweichungen von ihren festgelegten Plänen freiwillig oder aufgrund externer Faktoren zulassen, ohne aktiv Maßnahmen zu ergreifen, um diese Ungleichgewichte zu korrigieren.
Das Ausgleichen des Netzes ist ein dezentraler Prozess, da alle Marktteilnehmer unabhängig voneinander ihre Entscheidungen treffen, das Netz jedoch gemeinsam beeinflussen.
Was genau ist der Ausgleichsmarkt?
Ein Ausgleichsmarkt war früher nur für große Energieverbraucher zugänglich. Das ist jedoch nicht mehr der Fall. Er ähnelt einem Regelmarkt, da sein Zweck darin besteht, das Stromnetz zu stabilisieren. Er funktioniert jedoch eher als finanzieller Ausgleich für die BKVs. Der Ausgleichsmarkt kommt ins Spiel, wenn eine falsche Schätzung auftritt und entweder zu viel oder zu wenig Strom gekauft wird. In einem solchen Fall wird der Ausgleichsmarkt gehandelt.
Energie in diesem Markt wird in 15-Minuten-Intervallen gehandelt. Sollte es eine Differenz zwischen der geplanten Produktion und dem tatsächlichen Verbrauch geben, muss diese Differenz korrigiert werden, um die Stabilität des Netzes zu gewährleisten. Die Preise im Ausgleichsmarkt können viertelstündlich variieren – je nach Angebot und Nachfrage. Die Regelenergie wird jedoch nur aktiviert, um Ausgleichsprodukte bereitzustellen, wenn tatsächlich Ungleichgewichte auftreten. Und nicht als Reaktion auf prognostizierte Ungleichgewichte.
Ursachen von Ungleichgewichten
Ungleichgewichte im Energienetz können aus verschiedenen Gründen auftreten:
- Unerwartete Spitzen in der Nachfrage oder im Angebot.
- Infrastruktur-Unterbrechungen aufgrund von Problemen im Energienetz.
- Wetterbedingungen, insbesondere bei erneuerbaren Energiequellen, die von bestimmten Wetterverhältnissen abhängig sind, wie zum Beispiel Photovoltaik-Anlagen.
Ungleichgewichte werden auch in positive und negative Ungleichgewichte eingeteilt:
- Positive Ungleichgewichte: Das Angebot übersteigt die Nachfrage (muss nach unten reguliert werden).
- Negative Ungleichgewichte: Die Nachfrage übersteigt das Angebot (Aufwärtsregulierung erforderlich).
Preisbildung in Ausgleichsmärkten
Die Preise auf Ausgleichsmärkten können in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage im Netz variieren, da es keine festen Preise gibt, sondern nur Abrechnungen und rechtliche Rahmenbedingungen. Anstatt einen festen Preis auf den Ausgleichs- und Regelenergiemärkten festzulegen, wird der Preis in Bandbreiten festgesetzt. Je nachdem, wie viel Ausgleichsenergie zum Ausgleich von Abweichungen im Netz verwendet wird. Die Preisbildung auf den Ausgleichsmerkten erfolgt entweder über die Ausgleichsabrechnung oder den Ausgleichsenergiepreis.
Die Ausgleichsabrechnung ist ein finanzieller Mechanismus, der den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) Preise für Portfolio-Ungleichgewichte innerhalb einer bestimmten Abrechnungsperiode zuweist. Diese Periode kann zwischen 15 und 60 Minuten in viertelstunden Schritten betragen. Jeder ÜNB berechnet das gesamte Gleichgewicht für jede verantwortliche Partei in seinem Ausgleichsbereich und legt den Preis entsprechend fest.
Der Ausgleichsenergiepreis (in Deutschland) dient dagegen zum Ausgleich von Abweichungen, die mit Regelenergiekapazitäten und -aktivierungen korrelieren, und bildet den Systempreis. Er stellt also den Preis der aktivierten Reserven zum Ausgleich des Systems dar.
Ausgleichsverantwortung
Die Ausgleichsverantwortung, ein Teil der Abrechnung innerhalb der teilnehmenden Bilanzkreisverantwortlichen, stellt sicher, dass Angebot und Nachfrage koordiniert werden, um das Netz zu stabilisieren. Es handelt sich um eine Vereinbarung zwischen den Marktteilnehmern an den Regelenergiemärkten und den Ausgleichsenergiemärkten. Diese Bilanzkreisverantwortlichen sind für den Ausgleich von Stromangebot und -nachfrage verantwortlich. Der Ausgleichsverpflichtete muss mit jedem an das Netz angeschlossenen Lieferanten oder den Käufer:innen verbunden sein, um solche Ungleichgewichte zu vermeiden. Sie sind zudem finanziell für alle Ungleichgewichte in ihrem Portfolio von Netzzuteilungspunkten verantwortlich.
Die BKVs entwickeln die Fahrpläne und verwalten die Ungleichgewichte über den ÜNB. Diese Dienstleistungen sind häufig auf Flexibilität angewiesen, um sich schnell an Veränderungen der Netzstabilität anpassen zu können.
Flexibilität bei Regelenergie-Dienstleistungen
Unter Flexibilität versteht man die Fähigkeit, den Stromverbrauch oder die Stromerzeugung als Reaktion auf Schwankungen zu erhöhen oder zu verringern, um eine stabile und zuverlässige Stromversorgung zu gewährleisten. Da erneuerbare Energiequellen unstetig sind, ist dies entscheidend, um die schwankende Nachfrage auszugleichen, insbesondere in Kombination mit Ausgleichsmärkten. Ein BKV in den Niederlanden beispielsweise kann eine von zwei Positionen einnehmen: entweder ausgleichend oder systemunterstützend. Aufgrund des überlasteten Netzes und der langen Anschlusszeiten muss die Flexibilität im kleinen Maßstab über Ausgleichsmärkte genutzt werden. Für den Umgang mit variablen erneuerbaren Energiequellen ist es entscheidend, dass diese Märkte Anpassungen und Abrechnungen in Echtzeit für Diskrepanzen zwischen erwartetem und tatsächlichem Stromverbrauch ermöglichen. Die innerhalb von zwei Minuten veröffentlichten Daten, wie Systemsalden und Aktivierungen von Regelenergie, helfen den Stromversorgern, genaue Schätzungen vorzunehmen. Dies steigert die Effektivität ihrer Ausgleichsmaßnahmen und unterstützt die Systemstabilität. BKV optimieren ihre Portfolios und verdienen potenziell mehr, indem sie sich den Marktbedingungen in Echtzeit anpassen. Sie aktivieren die Flexibilität durch ihre Anlagen und Handelsaktivitäten, schaffen Geschäftsmöglichkeiten und entlasten das Netz. Obwohl der Markt für Ausgleichsenergie risikoreicher ist als der Day-Ahead-Markt, bietet er ein höheres Ertragspotenzial.