veröffentlicht:
21.3.2024
Last updated:
August 1, 2023

E-Mobilität in der Schweiz: Keine Skalierung ohne Integration

Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch – nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit! Im März 2023 hat die EU angekündigt, ab 2035 den Verkauf von konventionellen, mit fossilen Brennstoffen betriebenen Fahrzeugen zu verbieten. In der Schweiz geht der Bund davon aus, dass sich die E-Mobilität in 30 Jahren als dominante Mobilitätsform etabliert haben wird.

Um das Ziel zu erreichen, plant die Schweizer Regierung nutzer- und netzfreundliches Laden zu Hause, am Arbeitsplatz und unterwegs zu fördern. Im Grunde also überall und zu jeder Zeit. Doch Nutzer- und Netzfreundlichkeit stehen oft im Konflikt. Und so braucht es smarte Lösungen, um E-Autos ganzheitlich ins Stromsystem zu integrieren.  Und obwohl die Schweiz große Fortschritte bei der Elektrifizierung macht, steht das Alpenland steht vor einzigartigen Herausforderungen, die intelligente Lösungen für den Übergang unerlässlich machen.

Die Schweizer E-Mobilitäts Strategie macht sich bezahlt

Die Schweiz hat viele ehrgeizige Ziele bei der Elektrifizierung des Verkehrs: Bis Ende 2025 sollen 50 Prozent aller neu zugelassenen Autos vollelektrische (BEV) oder Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge (PHEV) sein – 2022 lag diese Zahl noch bei 17,7 Prozent. Bis 2035 will Swiss e-Mobility diesen Anteil auf 91 bis 99 Prozent steigern. Konkret wird erwartet, dass die Zahl der Elektroautos im Land von 201.000 im Jahr 2022 auf rund 2,8 Millionen im Jahr 2035 steigen wird. Um diese Fahrzeuge aufladen zu können, soll sich die Zahl der öffentlichen Ladestationen in den nächsten zwei Jahren fast verdoppeln und im darauffolgenden Jahrzehnt vervierfachen.

Um diese Ziele für flächendeckende Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge zu erreichen, hat die Schweizer Regierung zahlreiche Gesetze verabschiedet. So wurde das Raumplanungsgesetz geändert, wodurch die Ausstattung von Neubauten und flächendeckenden Renovierungen mit Ladeinfrastruktur vorangetrieben wird. Da die Dekarbonisierung des Verkehrssektors von der Versorgung der E-Autos mit erneuerbaren Energien abhängt, werden diese Ziele durch die Energiestrategie 2050 ergänzt, die auf die Senkung des Energieverbrauchs und die Förderung erneuerbarer Energien abzielt. Eine Reihe weiterer politischer Maßnahmen wie Einspeisetarife, Subventionen für Photovoltaik (PV)-Anlagen oder Direktvermarktung haben die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit erneuerbarer Energien schrittweise erhöht.

Die Schweizer Regierung und einzelne Kantone bieten auch eine Reihe von Förderprogrammen an, um Anreize für den Kauf von E-Fahrzeugen und die Einrichtung von elektrischen Ladestationen zu schaffen, welche die Mobilitätsrevolution vorantreiben. So subventioniert der Kanton Schaffhausen beispielsweise den Kauf von E-Pkw mit bis zu 2.000 Schweizer Franken pro Fahrzeug. E-Autos genießen außerdem eine ermäßigte Kfz-Steuer und haben Zugang zu Umweltzonen, in denen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mit Fahrverboten belegt sind. Bei der Ladeinfrastruktur subventioniert der Kanton Bern den Bau von Ladestationen bei Unternehmen mit bis zu 60.000 Franken pro Standort. Und der Bund stellt über seine Geschäftsstelle „Energieschweiz“ den Gemeinden bis zu 9.000 Franken und den Regionen bis zu 18.000 Franken für die Umsetzung von E-Mobilitäts-Projekten zur Verfügung.

Der derzeitige Zustand der Ladeinfrastruktur

Die Schweizer E-Mobilität legt also den nächsten Gang ein, doch reicht das aus?

Bereits in unserem Ladereport Anfang 2023 haben wir gezeigt, dass rund zwei Drittel der Ladepunkte in der Schweiz eine Ladeleistung zwischen 11 und 22 kW haben. Dieser höhere Anteil an „durchschnittlichen“ Ladepunkten führt dazu, dass die durchschnittliche Ladegeschwindigkeit in der Schweiz mit 30 kW leicht unter dem europäischen Durchschnitt (33 kW) liegt. Die Schweiz hat zudem einen geringeren Anteil an High Power Chargern (über 100 kW) – ein Anteil von 6 Prozent im Vergleich zum europäischen Durchschnitt von 7 Prozent. Interessanterweise befinden sich die beiden Regionen mit den meisten High Power Chargern pro Kopf (Tessin und Ostschweiz) in den südlichen, eher bergigen Gebieten, was den erhöhten Bedarf an Schnellladestationen auf Transitstrecken verdeutlicht.

Was die private Ladeinfrastruktur betrifft, hinkt die Schweiz hinterher. Die aktuelle Planung sieht vor, die Zahl der privaten Ladepunkte bis 2035 auf zwei Millionen zu erhöhen. Der derzeitige Stand der Ladeinfrastruktur ist ein Faktor, der viele Fahrer:innen von Elektrofahrzeugen davon abhält, ihr Fahrzeug zu Hause aufzuladen, oder, was noch wichtiger ist, sich überhaupt ein Elektrofahrzeug zu kaufen. Ein wichtiger Grund dafür ist die vergleichsweise niedrige Wohneigentumsquote in der Schweiz, da die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer in Mietwohnungen lebt. Der Ausbau der privaten Ladeinfrastruktur ist also kein Selbstläufer: Anreize, Planung und Investitionen sind dringend notwendig, um die für den Schweizer E-Mobilitätssektor gesteckten Ziele zu erreichen.

Die Notwendigkeit eines vielfältigen und weit verzweigten Ladenetzes

Die einzigartige Gebirgslandschaft der Schweiz stellt besondere Herausforderungen an die Einführung der Elektromobilität. Mithilfe der Spinnenkarte von Chargetrip haben wir die Reichweite eines Standard-Elektrofahrzeugs (ein Nissan Leaf e+ mit 62 kWh) von Interlaken im Zentrum der Schweiz mit einer Abfahrt von Düsseldorf und seiner flachen Umgebung verglichen. Der Unterschied in der Reichweite (insbesondere südlich von Interlaken in der bergigen Region) ist deutlich.

Umso wichtiger ist es für das Alpenland, ein flächendeckendes Netz von Ziel-, Strecken- und Heimladestationen zu haben, um den Leuten den Umstieg zu erleichtern. Doch dieser Wandel ist nicht einfach zu bewerkstelligen.

Die Elektrifizierung der Mobilität verändert die Rollen der Akteure: Stromanbieter treten in die Mobilitätsmärkte ein, Logistikdienstleister müssen den erhöhten Strombedarf an ihren Standorten einplanen, Betreiber:innen von Ladestationen müssen ihren Nutzern ein nahtloses Ladeerlebnis bieten, und alle Beteiligten müssen viel enger zusammenarbeiten. Hinzu kommen eine Reihe von Herstellern, die nicht alle untereinander kompatibel sind, sich ändernde Vorschriften und ständig neu entstehende Anwendungsfälle (von dynamischen Tarifen über bidirektionales Laden bis hin zu virtuellen Kraftwerken), und es wird nahezu unmöglich, in der neuen Ära der Elektromobilität die Nase vorn zu haben.

Eine solche Komplexität zu überwinden und den Fokus auf Kunden und Gewinn zu behalten, ist nur mit agilen technologischen Plattformen möglich, die dezentrale Dienste unterstützen und neue Anwendungsfälle bei Bedarf ansprechen. Die Schweizer Regierung hat das Potenzial der Technologie zur Beschleunigung der Mobilitätsrevolution bereits erkannt und richtet ihren Fokus auf zukunftssichere Lösungen, die Elektrofahrzeuge besser in die Stromnetze integrieren.

Die Integration von Elektrizität und Mobilität mittels Technologie

Anfang 2023 hat sich die Energiekommission des Nationalrats einstimmig für die Abschaffung der Netzentgelte für Batterien von Elektrofahrzeugen ausgesprochen. Dies macht das bidirektionale Laden finanziell noch attraktiver und fördert die Einführung von Vehicle-to-Grid- und Vehicle-to-Home-Technologien – Technologien, die sowohl den Fahrer:innen als auch dem Netz zugutekommen. Durch das Aufladen der Batterien von Elektrofahrzeugen in Zeiten hoher Stromerzeugung und das Entladen in Zeiten mit geringerem Angebot an erneuerbaren Energien könnten zwischen 2020 und 2050 zusätzliche 55,3 TWh in das Schweizer Stromnetz eingespeist werden. Bei einem Verkauf auf dem Strommarkt würde sich der Wert dieser zusätzlichen Erzeugung auf über eine Milliarde Euro belaufen.

Neben dem bidirektionalen Laden gibt es viele Lösungen, die Akteure der Elektromobilität bereits heute umsetzen können, um das Laden von E-Fahrzeugen nahtlos, skalierbar und kosteneffizient zu gestalten. Dynamisches Lastmanagement, Peak Shaving und intelligente Ladestrategien für E-Fahrzeuge sind einige der wichtigsten Maßnahmen, die teure Netzerweiterungen überflüssig machen, die Netzgebühren am Standort minimieren und gleichzeitig den E-Fahrern ein hervorragendes Ladeerlebnis garantieren. Aus Sicht der Haushalte sind E-Fahrzeuge ein sehr wertvolles flexibles Gut. Die Verlagerung des Verbrauchs von E-Fahrzeugen in günstigere Preisperioden kann beispielsweise die Stromrechnung drastisch senken. Auch die Anpassung des Ladevorgangs an die Spitzenwerte der PV-Produktion kann die Emissionen erheblich senken. Mit einer intelligenten Lösung kann all dies optimiert werden, ohne dass der Fahrer überhaupt daran denkt. Der erste Schritt, um diese Anwendungsfälle zu ermöglichen, ist jedoch die Verbindung und Steuerung aller dezentralen Energieressourcen (Anlagen, die Strom erzeugen, speichern oder verbrauchen), unabhängig vom Hersteller.

Wenn neue Energiedienstleistungen als fragmentierte Lösungen existieren, ist auch das Nutzererlebnis fragmentiert.

Laut Irina Milyukhina, Account Executive bei gridX, kommt es vor allem auf die Integration an. „Wenn neue Energiedienstleistungen als fragmentierte Lösungen existieren, ist auch das Nutzererlebnis fragmentiert“, so Milyukhina. „Betreiber und Energieversorger brauchen eine einzige technologische Plattform, die sowohl die externen Möglichkeiten als auch die internen Möglichkeiten berücksichtigt. Nur dann kann das Laden von Elektrofahrzeugen nutzer- und netzfreundlich sein. Kombiniert man dies mit bewährter Erfahrung, Branchen-Know-how und maßgeschneiderten Produkt- und Go-to-Market-Strategien, wird die Elektrifizierung der Schweizer Mobilität plötzlich zu einer machbaren Aufgabe“, fügt sie hinzu.

Der Aufbau eines flächendeckenden Netzes von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge im Alpenland erfordert eine stärkere Integration von Akteur:innen und Technologien. Wir müssen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass das Aufladen von Elektroautos zu einem reibungslosen und attraktiven Erlebnis für alle Autofahrer:innen wird, ob in der Stadt oder in den Bergen.

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