Es wird stürmisch auf der Iberischen Halbinsel. Und wir reden hier nicht über das Wetter.
Trotz eines ausgeprägten Mangels an Anreizen und reaktionsträgen Regulatoren hat es in Spanien und Portugal in den letzten Jahren einen enormen Anstieg bei grünen Energietechnologien gegeben. Jetzt müssen diese Lasten, die damit einhergehen, intelligent integriert werden. Dadurch entsteht auch bei Energieunternehmen Handlungsbedarf.
Spanien: Von der Sonnensteuer zum Solarüberschuss
Bei der Sonnensteuer handelte es sich um eine Abgabe, die Verbraucher für den Strom ihrer Solaranlagen zahlen mussten. Spanien, das in Europa zu den Ländern mit den meisten Sonnenstunden gehört, war damit das einzige Land der Welt mit einer Sonnensteuer.
Auch wenn es Ausnahmen gab, verhinderte die Steuer, dass sich Photovoltaik in Spanien flächendeckend durchsetzen konnte. 2018, drei Jahre nach ihrer Einführung, wurde die Steuer auch schon wieder aufgehoben und eine Reihe von Reformen zur Förderung der Solarnutzung eingeführt. Dies bedeutete unter anderem, dass für Anlagen unter 10 kW keine Genehmigungen von Energieunternehmen mehr erforderlich waren, die Vergütung und der Verkauf von selbst erzeugten Energieüberschüssen genehmigt wurden und der kollektive Eigenverbrauch, der die gemeinsame Nutzung von Energie durch mehrere Personen ermöglicht, möglich wurde.
Diese Reformen markieren einen Wendepunkt für Spanien – mit weiteren positiven Folgen. Die Vereinfachung der Verwaltungsverfahren zur Installation von PV-Anlagen hat zum Beispiel viele Regionen dazu ermutigt, eigene Förderungen für Solaranlagen aufzulegen.
Im Jahr 2020 stellte die spanische Regierung dann den nationalen Plan für erneuerbare Energien vor mit dem Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien am Strommix des Landes bis 2030 auf 74 Prozent zu erhöhen. Im Rahmen des Plans verpflichtete sich die Regierung, in den folgenden fünf Jahren zwei Milliarden Euro in erneuerbare Energien zu investieren. Außerdem wurden Steuervergünstigungen, Zuschüsse und Subventionen zur Förderung von Projekten und Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien eingeführt.
Diese Änderungen trugen dazu bei, dass sich die PV-Kapazität des Landes zwischen 2019 und 2022 auf 20 GW mehr als verdoppelte. Die überarbeiteten Pläne zielen darauf ab, diese Zahl bis zum Ende des Jahrzehnts fast zu vervierfachen und bis 2030 eine PV-Kapazität von 76 GW zu erreichen, von denen 19 GW für den Eigenverbrauch bestimmt sind. Darüber hinaus will das Land 22 GW an Speicherkapazität in verschiedenen Formen bereitstellen. Diese enorme Zunahme der Solarenergie wird das weiter gefasste Ziel des Landes vorantreiben, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugungskapazität bis 2030 auf 81 Prozent zu erhöhen.
Historischer und prognostizierter Anstieg der Erzeugung aus erneuerbaren Energiequellen
Mit Solarenergie allein lässt sich die Energiewende jedoch nicht bewältigen. Wie in vielen Ländern, in denen sichdie Duck Curve in eine Canyon Curve gewandelt hat, führt der hohe Anteil an Solarstrom in Spanien zu einer immer geringeren – teils sogar negativen – Residuallast. Es wird also oft mehr Strom erzeugt als benötigt. Tatsächlich erreichte die Restlast der öffentlichen Stromversorgung am Nachmittag des 16. Mai -1,3 GW – überschüssige Energie, für die es keinen Abnehmer im Land gab. Nur wenige Stunden später stieg die Residuallast wieder auf fast 15 GW an, und der Anteil Erneuerbarer im Strommix sank auf 62 Prozent.
Öffentliche Netto-Stromerzeugung in Spanien im Mai 2023
Umso wichtiger ist es, Speicher und Flexibilität zu nutzen, um Angebots- und Nachfragespitzen anzugleichen, die Nachfrage auf die richtigen Zeiten zu verlagern und einen nahtlosen Übergang zu einem vollständig erneuerbaren Energiesystem zu ermöglichen.
Solarstrom speichern
Spanien ist in hohem Maße von Solarstrom abhängig – bis 2030 werden etwa 26 Prozent des gesamten Strombedarfs (74 TWH) durch Solarenergie gedeckt werden. Dadurch ergibt sich auch ein großer Bedarf für Batteriespeicher für Privathaushalte. LCP Delta schätzt, dass Batterien in Spanien im Jahr 2030 mehr als 300 Tage haben werden, an denen sie komplett geladen und entladen werden können. Die begrenzte Anbindung der iberischen Halbinsel (und die begrenzte Import-/Exportkapazität) an das übrige Europa macht Batterien für Haushalte noch wichtiger.
Die spanische Regierung hat sich daher das Ziel gesetzt, bis 2030 22 GW an Energiespeicherung zu erreichen, wovon der größte Teil auf Batteriespeicher entfallen soll. Durch die zunehmende Preisvolatilität werden Batterien finanziell attraktiver, da sie es Nutzern ermöglichen, ihren Energiebedarf bei hohen Preisen selbst zu decken – auch wenn die Sonne nicht mehr scheint. Es wird erwartet, dass sich die Strommärkte in den kommenden Jahren weiter öffnen werden, um Batteriebesitzern die Teilnahme am Kapazitätsmarkt zu ermöglichen.
Portugal: Mehr erneuerbare Energien zur Deckung der steigenden Nachfrage
Portugal ist eines von drei Ländern, die vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) verklagt wurden, weil es die EU-Richtlinie für erneuerbare Energien nicht in nationales Recht umgesetzt hat. Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie wurde 2018 verabschiedet und legt auf EU-Ebene ein verbindliches Ziel für 2030 von mindestens 32 Prozent erneuerbarer Energie fest. Portugal hat es versäumt, der Europäischen Kommission „klare und präzise Informationen darüber zu übermitteln, mit welchen nationalen Vorschriften die einzelnen Bestimmungen der Richtlinie umgesetzt werden.“
Die Europäische Kommission forderte Portugal daher auf, Energiesubventionen zu beenden und die Gesamtabhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern, indem der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt und das Stromnetz ausgebessert wird.
Trotz der schleppenden Umsetzung der nationalen Rechtsvorschriften gelang es Portugal im März dennoch, mehr Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen als es verbrauchte. Die Erzeugung aus erneuerbaren Quellen überstieg den Verbrauch um 3,6 Prozent – allerdings waren die Portugiesen trotzdem nicht komplett autark, sondern waren bei Zeiten auf Importe und fossile Energieträger angewiesen. Es wird erwartet, dass erneuerbare Energien bis 2040 den gesamten jährlichen Stromverbrauch des portugiesischen Festlandes decken. Ähnlich wie in Spanien wird das System dafür aber wesentlich flexibler sein müssen, um auch dann eine sichere und kosteneffiziente Versorgung zu gewährleisten. Der portugiesische Verband für erneuerbare Energien (APREN) betont die Notwendigkeit von Rahmenbedingungen, die einen starken Ausbau der Solarenergie fördern, da die Elektrifizierung von Wärme und Mobilität den Strombedarf erhöht.
Elektrifizierung von Heizung und Mobilität
Im Jahr 2022 waren nur 9 Prozent der Neuzulassungen in Spanien elektrisch. Im Juni 2023 führte die Regierung jedoch einen 15 prozentigen Abzug von der Einkommenssteuer (IRPF) für den Kauf von Elektrofahrzeugen ein, der bis Ende 2025 gelten soll. Bis 2030 sollen dadurch 3 Millionen elektrische PKW auf den Straßen unterwegs sein (insgesamt 5 Millionen elektrische Fahrzeuge), gegenüber nur 226.000 im Jahr 2022.
Portugal hat eine Reihe von Anreizen für E-Fahrzeuge geschaffen, die dazu beigetragen haben, dass 2022 20 Prozent (34.000) aller Neufahrzeuge Stromer waren. Während die Ziele Portugals weniger klar sind, wird erwartet, dass die Zahl der verkauften E-Fahrzeuge bis zum Ende des Jahrzehnts um 234 Prozent steigen und bis 2030 über 113.000 pro Jahr erreichen wird – was einen erheblichen Anstieg der Stromnachfrage zur Folge haben wird.
Enormer Anstieg von E-Autos auf der Iberischen Halbinsel bis 2030 erwartet
Für die Dekarbonisierung des Heizens setzen beide Länder auf die Wärmepumpe und bieten beträchtliche Subventionen an – Spanien subventioniert bis zu 70 Prozent der Investitionskosten bei Neubauten und Portugal bis zu 85 Prozent bei Neubauten und Renovierungen.
Die Fähigkeit von Wärmepumpen, zu heizen und zu kühlen, macht sie für die Iberische Halbinsel zusätzlich attraktiv. Eine Klimaanlage benötigt jährlich bis zu 440 kW/h, was fast 9 Prozent des durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Energieverbrauchs in Spanien ausmacht. Dazu werden Klimaanlagen oft landesweit zu den gleichen Zeiten betrieben, weswegen sie einen erheblichen Anstieg in der Stromnachfrage verursachen.
Spitzenmonate bei variablen Übertragungs- und Verteilungsentgelten
Das sieht man auch in den Strompreisen. Als einziges Land erreichen diese in Spanien auch im Juli ihre Spitze – wahrscheinlich wegen des Betriebs von Klimaanlagen im Juli. Und das war vor dem Juni 2023, dem laut NASA heißesten jemals aufgezeichneten Juni.
Als hocheffizientes Multitalent für elektrisches Heizen und Kühlen sind Wärmepumpen der logische Weg für eine saubere Temperaturregelung auf der iberischen Halbinsel. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist, dass sie mit anderen Anlagen kombiniert und ganzheitlich gesteuert werden können, um die Energieflüsse zu optimieren und so die Effizienz zu maximieren und die Kosten zu senken.
Stärker zusammen
Es besteht kein Zweifel, dass ein Sturm von PV, EVs und Wärmepumpen auf die Iberische Halbinsel zukommt. Obwohl die Regulierung in Spanien und Portugal in vielerlei Hinsicht hinterherhinkte, wurden in den letzten Jahren große Schritte beim Ausbau der Erneuerbaren sowie der Elektrifizierung von Mobilität und Wärme gemacht. Der große Teil der Transformation steht aber noch bevor.
„Die Kombination von Solaranlagen auf Dächern mit Batterien, die intelligente Steuerung von Wärmepumpen und Elektroautos zur Steuerung der Nachfrage und die Nutzung dynamischer Stromtarife sind einige der Schlüssellösungen, die erfolgreiche Energieunternehmen in Zukunft auszeichnen werden.“
„Die einzige Möglichkeit, all diese Anlagen effektiv zu integrieren, um ein stabiles, sauberes Energiesystem zu gewährleisten, ist ein intelligentes Energiemanagement“, sagt Andrea Albergoni, Account Executive bei gridX. „Jede Anlage arbeitet besser im Verbund als für sich allein. In Spanien und Portugal übersteigt das Angebot Erneuerbarer zu bestimmten Zeiten bereits heute die Nachfrage, aber ohne Flexibilität werden wir weiterhin auf fossile Brennstoffe angewiesen sein. Die Kombination von Solaranlagen auf Dächern mit Batterien, die intelligente Steuerung von Wärmepumpen und Elektroautos zur Steuerung der Nachfrage und die Nutzung dynamischer Stromtarife sind einige der Schlüssellösungen, die erfolgreiche Energieunternehmen in Zukunft auszeichnen werden. Aber um führend zu sein, müssen sie diese Lösungen jetzt einführen“, fügt er hinzu.
Die Zeichen des Wandels sind auf der Iberischen Halbinsel deutlich zu spüren. Die Unternehmen in der Region müssen von den Veränderungen lernen, die in anderen Märkten bereits stattgefunden haben, und smarte Lösungen schon heute einführen.