Ziele
Eine Ladestrategie für Elektrofahrzeuge kann beispielsweise ein oder mehrere Ziele verfolgen:
- Kosten minimieren
- Ladezeit minimieren
- Fairness maximieren
- Emissionen minimieren
In der Praxis stehen diese Ziele oft im Widerspruch zueinander (z. B. schnellere Ladegeschwindigkeiten führen in der Regel zu höheren Kosten), sodass es für Betreiber:innen von Ladestationen entscheidend ist, eine bestimmte Ladestrategie zu wählen, die ihren spezifischen Anforderungen entspricht.
Ladestrategien für Elektrofahrzeuge für jeden Use Case
Priorisiertes Laden
Ziel: Mobilitätsbedürfnisse erfüllen
Logik: Wie der Name bereits andeutet, versteht sich unter priorisiertem Laden, oder auch Priority Charging, die Bevorzugung einer oder mehrerer Ladepunkte. Dabei erhalten definierte Ladepunkte Priorität, sprich, sie werden bei der Verteilung der verfügbaren Leistung bevorzugt. Somit können Fahrzeuge an priorisierten Ladepunkten mit der maximalen Geschwindigkeit laden, während die verbleibende Kapazität auf die anderen Ladepunkte des Ladeparks aufgeteilt wird. Das bedeutet, dass priorisierte Ladesäulen bei Engpässen als letztes beschränkt werden – also erst, wenn alle nicht-priorisierten Ladepunkte bereits vollständig abgeriegelt wurden. Mit dem Energiemanagement von gridX lässt sich Priority Charging ganz einfach nach den jeweiligen Mobilitätsbedürfnissen von Fahrer:innen ein- oder ausschalten.
In der Praxis: Priorisiertes Laden eignet sich vor allem für Standorte, an denen manche Fahrer:innen von Elektrofahrzeugen Vorrang bekommen sollen. So findet diese Ladestrategie zum Beispiel Anwendung in Parkhäusern von Bürogebäuden für Personen mit besonderen Mobilitätsbedürfnissen; die Mitarbeiter:innen im Außendienst haben vermutlich weniger Zeit zum Laden als andere. Auch für Lieferfahrzeuge, die regelmäßig kurzfristig eine Fahrt antreten müssen, kann priorisiertes Laden sinnvoll sein.
Ausgewogenes Laden
Ziel: Fairness maximieren
Logik: Beim ausgewogenen Laden, Balanced Charging, verteilt das Energiemanagementsystem zur Verfügung stehende Kapazität gleichmäßig auf alle angeschlossenen Ladepunkte. Auch auf der Ebene der einzelnen elektrischen Phasen gibt es hier Ausgeglichenheit. Sofern keine Ladestationen priorisiert werden, findet eine gleichmäßige Verteilung der Kapazität unter allen Ladepunkten statt. Werden einzelne Ladepunkte priorisiert, erfolgt die ausgewogene Verteilung der verbleibenden Leistung nur unter den nicht priorisierten Ladesäulen. Das Fahrzeug an der Ladestation mit Priorität lädt so nah wie möglich an seiner maximalen Ladeleistung. Die maximalen Limits je Phase sowie die gesamten Lastgrenzen werden stets eingehalten. Aufgrund von ungleicher Leistungsmodulation je Ladepunkt können kleine Unterschiede zwischen den Fahrzeugen entstehen.
In der Praxis: Ausgewogenes Laden ist eine weit verbreitete Ladestrategie, die auf die meisten Arten von Ladestandorten angewendet werden kann. Es eignet sich besonders, wenn die Mobilitätsbedürfnisse der Fahrer:innen von Elektroautos unbekannt sind oder alle E-Autos den gleichen Stellenwert haben sollen. Daher findet ausgewogenes Laden in der Praxis zum Beispiel an Bürogebäuden, Wohnkomplexen oder an öffentlichen Ladeparks Anwendung.
Serielles Laden
Ziel: Ladegeschwindigkeit maximieren
Logik: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Bei der Serienladung erfolgt die Priorisierung in chronologischer Reihenfolge, d.h. Fahrzeuge, die zuerst an die Ladestation angeschlossen werden, erhalten mehr von der verfügbaren Kapazität. Sie laden dann so nah wie möglich an ihren vollen Ladezustand heran, während später angeschlossene Fahrzeuge nur die Restkapazität erhalten, bis eines der ersten Fahrzeuge vollständig geladen ist. XENON ermöglicht auch eine individuelle Priorisierung: Ist ein Ladepunkt priorisiert, kann das angeschlossene Fahrzeug mit maximaler Leistung geladen werden. Die verbleibende Leistung wird dann den Fahrzeugen in der Reihenfolge ihres Anschlusses zugewiesen.
In der Praxis: Halböffentliche Ladeparks wie bei Hotels, an Autobahn-Rastplätzen, zu Restaurants gehörend oder an Supermärkten sind prädestiniert für serielles Laden. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass Personen, die zuerst ankommen und den Ladevorgang starten, in der Regel auch zuerst wieder abfahren wollen. Daher muss das jeweilige E-Auto so schnell wie möglich innerhalb des begrenzten Zeitraums geladen werden. Außerdem bietet sich serielles Laden auch an, wenn zur Verfügung stehende Kapazität extrem begrenzt ist. Hier wäre ausgewogenes Laden nicht möglich, sofern die zum Laden eines E-Autos nötige Kapazität von rund drei Kilowatt (kW) nicht vorhanden wäre.
Proportionales Laden
Ziel: Mobilitätsbedürfnisse erfüllen
Logik: Proportionales Laden – Proportional Charging – ist eine der Ladestrategien für Elektrofahrzeuge, die Informationen, wie Abfahrtszeit und den mindestens erforderlichen Ladezustand (State of Charge, kurz: SoC), von Fahrer:innen benötigt, die über eine Benutzeroberfläche (User Interface) bereitgestellt werden können. So ermittelt die Plattform einen Proportionalitätsfaktor – der aus Standzeit und nötigem Volumen berechnet wird – und bestimmt damit, wie viel der verfügbaren Kapazität jedes angeschlossene Elektrofahrzeug erhält. Geben Fahrer:innen beispielsweise eine kurze Standzeit an, aber auch ein hohes Ladevolumen, wird dem Ladepunkt automatisch mehr Kapazität zugeteilt, damit der geforderte SoC bei Abfahrt erreicht ist. So ist beim proportionalen Laden sichergestellt, dass die von Fahrer:innen gestellten Anforderungen für den Ladevorgang in jedem Fall erfüllt werden.
In der Praxis:
Fuhrparkbetreiber und Logistikzentren: In der Regel haben Flottenbetreiber wie Busdepots oder Logistikunternehmen einen Fahrplan, der die Abfahrtszeit, die Entfernung und die Strecke enthält, die jedes ihrer Fahrzeuge zu einem vorgegebenen Zeitpunkt zurücklegen muss. Auf Grundlage dieser Informationen können die Elektrofahrzeuge entsprechend ihrer Anforderungen proportional geladen werden.
Arbeitsplatz: An Bürostandorten haben Mitarbeiter:innen in der Regel unterschiedliche Ankunfts- und Abfahrtszeiten. Zudem benötigen sie unterschiedliche Reichweiten zum Zeitpunkt der Abfahrt. Basierend auf der benötigten Reichweite und der Abfahrtszeit, die von Mitarbeiter:innen über eine mobile App, ein Intranet-Tool oder eine Benutzeroberfläche an der Ladestation angegeben werden können, ist es möglich, E-Autos entsprechend intelligent zu laden, um somit sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter:innen ihr Ziel erreichen.
Varianten
PV-Überschussladen
Ziel: Emissionen minimieren
Logik: Beim PV-Überschussladen wird überschüssiger PV-Strom zum Laden von E-Autos verwendet. Diese Ladestrategie stellt sicher, dass der lokal erzeugte PV-Strom maximal genutzt wird, indem Elektrofahrzeuge nur dann geladen werden, wenn ein PV-Überschuss vorhanden ist. Dadurch können Kosten und Emissionen gesenkt werden. Um jedoch sicherzustellen, dass auch die Mobilitätsbedürfnisse befriedigt werden, kann zusätzlicher Strom aus dem Netz bezogen werden, um zu gewährleisten, dass alle Fahrzeuge ihre gewünschtes Mindestladevolumen erreichen.
In der Praxis: PV-Überschussladen kann in Zeiten hoher PV-Erzeugung, die für das Aufladen der angeschlossenen E-Autos ausreicht, aktiviert oder geplant werden. Diese Strategie eignet sich für Standorte, an denen großer Wert auf möglichst umweltfreundliches und nachhaltiges Laden von E-Autos gelegt wird. Beispiele finden sich häufig im Umfeld von Wohn- oder Bürogebäuden.
Geplantes Laden
Ziel: Emissionen minimieren, ohne die Mobilitätsbedürfnisse einzuschränken
Logik: Geplantes Laden ist für Standorte, an denen die Ladeleistung auf eine festgelegte kW-Leistung begrenzt werden muss, eine geeignete Strategie zum Laden von E-Autos. Teilweise sind es dynamische Stromtarife, die zum Beispiel das Laden nachts zu Nachtstrom-Preisen interessant machen, die Koordination des Ladens von Elektrofahrzeugen mit lokaler PV-Produktion oder zur Abstimmung auf spezielle Signale des Netzbetreibers. Auch eine Abmachung mit dem Netzbetreiber zur Meidung von Ladevorgängen in Hochlastzeitfenstern kann Motivation des geplanten Ladens sein, um Netzentgelte zu minimieren.
In der Praxis: Geplantes Laden eignet sich zum Beispiel für Standorte, an denen die Standzeiten von E-Autos in der Regel deutlich länger sind, wenn die Mobilitätsbedürfnisse, wie Abfahrtszeit und benötigte Reichweite (in km) oder der benötigte State of Charge (in Prozent), bekannt sind. Geplantes Laden lässt sich zudem auch mit lokaler PV-Produktion kombinieren, das konnten wir im Rahmen eines Pilotprojekts mit der MAINGAU Energie GmbH zeigen.